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Montag, 18. August 2008

Die im Dunkeln sieht man nicht

"Willkommen zu einer Führung", sagt Lothar S., "durch ein anderes Ludwigshafen, als sie es sonst kennen". Eines, in dem Menschen mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hätten: "Alkohol, psychische und finanzielle Probleme", weiß der freundliche Mann mit den grauen Haaren, der an diesem Abend als "Guide" fungieren wird.

Wohnungslosigkeit: Lothar S. hat dieses Schicksal selbst erlebt. Er lebt seit August vergangenen Jahres im Haus St. Martin, absolviert hier eine Resozialisierung. Seine Bitte an die Teilnehmer seiner Gruppe: "Bringen Sie den Leuten Respekt entgegen. Es ist für sie nicht einfach, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren". Und dennoch haben sie den Mut aufgebracht, sich an einem außergewöhnlichen Projekt zu beteiligen: Der "Langen Nacht der Wohnungslosigkeit".
"Zukunft nicht planbar"

Fast ein Jahr lang haben 14 Studierende der Evangelischen Fachhochschule Ludwigshafen zusammen mit Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe an diesem Projekt gearbeitet, bei dem die Teilnehmer "keine Sightseeing-Tour" erleben, wie FH-Professorin Andrea Lutz-Kluge betont, die zusammen mit Theaterregisseurin Maike Lex die Kultursommer-Veranstaltung leitet - sondern die sie vielmehr durch Begegnungen, Gespräche und Performances auf eindrucksvolle und bewegende Weise dem Leben und der Geschichte der Betroffenen näher bringt, Verständnis schafft.

Regen perlt auf die Haltestelle Heinrich-Pesch-Haus - von hier aus starten die vier Gruppen mit jeweils 15 Teilnehmern zeitversetzt, treten eine Reise an, die sie zu Orten führt, die von Wohnungslosen aufgesucht werden, in denen sie sich treffen, Unterkunft oder Unterstützung finden.

Mietschulden hätten sie hierher gebracht, erzählt eine Mutter, die mit ihren Kindern im städtischen Obdach in der Bayreuther Straße untergekommen ist. Zwar fühle sie sich hier wohl, gleichwohl werde "abgestempelt", wer hier lebe: Als sie etwa ein Konto für ihre Tochter habe eröffnen wollen, sei dies abgelehnt worden, nachdem sie ihre Anschrift genannt habe. "Die Zukunft für mich und meine Kinder ist nicht planbar", berichtet sie beim Gespräch in den Räumen des Straßensozialarbeiters. Vor dem Gebäude der benachbarten Ludwigshafener "Tafel" präsentiert Lothar S. einen spärlich gefüllten Korb - Lebensmittel für "4,13 Euro" - soviel stehe einem Hartz IV-Empfänger pro Tag für Nahrungsmittel zur Verfügung, erzählt er.

Insgesamt werden rund ein Dutzend Stationen angesteuert. Bei einer Busfahrt singt FH-Rektor Jürgen Mangold Bert Brechts "Ballade vom angenehmen Leben", in der Teestube in der Rohrlachstraße sowie im "SleepInn" werden Foto-Ausstellungen präsentiert. Vor der Dreifaltigkeitskirche musizieren Besucher der Suppenküche, und tragen zusammen mit Studierenden anrührende Texte vor, die sich mit dem Leben ohne Obdach auseinandersetzen. Treffpunkt der Führungen ist im Haus St. Martin, wo Filme gezeigt werden und "Point of No Return"- eine Musikband aus Bewohnern der Bayreuther Straße - spielen.

Dirk Grund: Dem Leben Obadachloser auf der Spur, Mannheimer Morgen 14. Juli 2008